Amphitryon

von Heinrich von Kleist

Die Geschichte des Göttervaters Jupiter, dessen erotische Begehrlichkeit ihn ins Bett der sterblichen Alkmene führt, wurde schon in der Antike bearbeitet und hat seitdem in zahlreichen Varianten Einzug in Kunst und Literatur gefunden. Heinrich von Kleists Version, entstanden aus einer ursprünglich nur als Übersetzung geplanten Bearbeitung der Gesellschaftskomödie von Molière, gilt bis heute als literarischer Höhepunkt der Auseinandersetzung mit dem Stoff.

Jupiter, für seine sexuelle Umtriebigkeit berühmt und berüchtigt, hat ein Auge auf Alkmene geworfen. In Gestalt ihres Ehemanns Amphitryon täuscht er dessen frühzeitige Rückkehr aus der Schlacht vor und erschleicht sich eine (durch weitere Tricks um etliche Stunden verlängerte) Liebesnacht mit der um diese Umstände sich ebenso im Unklaren befindenden, wie vom Ereignis selbst berauschten Alkmene. Der Plot folgt allen Regeln einer klassischen Verwechslungskomödie.

Ausgelöst wird Jupiters Interesse an dieser Liaison ganz offensichtlich nicht nur durch die körperlichen Vorzüge seiner Auserwählten, sondern durch deren hingebungsvolle Liebe und Treue gegenüber Amphitryon, der als siegreicher Feldherr, genau wie seine Ehefrau, alle Tugenden seines Geschlechts – zumindest im Sinne der traditionellen Rollenzuschreibungen – auf sich vereinigt. Ist es Eifersucht, die den Unsterblichen zu den Menschen treibt, oder sein Zorn über die selbstverliebte und selbstgerechte Perfektion ihrer Selbst- und Lebensentwürfe? Jedenfalls nimmt es Jupiter nicht nur in Kauf, dass die von ihm Heimgesuchten in völlige Verzweiflung über sich selbst und ihre Beziehungen untereinander geraten, nein, er legt es ziemlich perfide sogar genau darauf an. Der Stoff erlaubt eine gedankliche Konstruktion, die Kleist als erster radikal ausgelotet hat. Seine Tragikomödie ist eine philosophische Ergründung des „Ich“, das bei ihm grundlegend ins Wanken gerät und das von allen Figuren so existenziell in Frage gestellt werden muss, dass auch ein noch so glorioses (buchstäblich vom deus ex machina herbeizitiertes) Happy End keine Erlösung mehr versprechen kann. Da, wo das Urvertrauen in die eigene Identität einmal verloren gegangen ist, gibt es keine vollständige Heilung mehr und damit konstatiert Kleist schon vor der Zeit die mentale Grundbedingung des modernen Menschen. Die Sprache, die er für diese tieftraurige, ihn selbst in Verzweiflung stürzende Wahrheit fand, ist von tröstlicher Schönheit.

Produktion: Fürther Bagaasch-Ensemblebühne
Dramaturgie, Bühne, Kostüme: Ute Weiherer
Regie: Uwe Weiherer
Ensemble: 
Jupiter, in Gestalt des Amphitryon: Tatjana Grumbach
Merkur , in Gestalt des Sosias: Maria Rupp
Amphitryon, Gatte der Alkmene: Bert-Peter Wendt
Alkmene, Gattin des Amphitryon: Rike Frohberger
Sosias, Diener des Amphitryon: Uwe Weiherer
Charis, Gattin des Sosias: Ursula Hähner

Vorbericht: Wenn die Götter plötzlich Göttinnnen sind,
und Göttlicher Kleist
2011 Amphitryon_-Fotos-HJ_Winckler
2011 Amphitryon_-Fotos-HJ_Winckler